Im Rahmen der DC Open 2020 freut sich Markus Lüttgen, die Ausstellung „Transition“ von Felix Schramm anzukündigen.
Das Fragment einer Abformung, zu einer Seite hin offen und seinen Hüllencharakter kaum verbergend, schmiegt sich an eine Negativform und lässt so nuanciert Zwischenstadien einer skulpturalen Formbildung sichtbar werden, die ihre produktive Kraft wesentlich aus Momenten des Übergangs bezieht: zwischen Volumen und Leere, Innen und Außen, homogenem Ganzen und der Heterogenität seiner Teile. Was so in der titelgebenden Arbeit als Übergänge der Form ablesbar wird, setzt elementar das Moment des Blickwechsels voraus. Das skulpturale Element wird dann als ein aus zwei Teilen zusammengesetztes erkennbar, wenn wir die Position wechseln. Damit sind wir als Betrachtende selbst zum notwendigen Teil des skulpturalen Raumgefüges geworden. Von dieser grundlegenden Konstellation ausgehend sollen drei Momente des Übergangs in den gezeigten Arbeiten adressiert werden, die mit dem Ausdruck „Transition“ ebenso programmatisch wie provisorisch – selbst nur als Übergang fassbar – benannt sind.
Übergänge der Form, die sich in einer ersten Annäherung an den Begriff des „Formlosen“ bei Georges Bataille anschließen lassen. Denn bei Bataille bezeichnet das „Formlose“ nicht die Negation von Form, sondern vielmehr das, wodurch sich dialektisch der Übergang von Form zu Form vollzieht. Ein Übergang indes, der in der Auflösung, Überschreitung und Deklassierung vorhandener Formen besteht. Freilich muss für das Formdenken Felix Schramms das Moment des Dialektischen betont werden. Denn was hier mit dem „Formlosen“ angesprochen ist, lässt sich zwar durchaus in die Nähe rücken zur vehementen Attacke Batailles gegen buchstäblich „die ganze Philosophie“: dass jedes Ding nur durch eine eindeutig zu klassifizierende Form zu definieren wäre. Vor allem aber ist es positiv gewendet das produktive Potential eines Begehrens nach dem Individuellen und Singulären, dem, was – nicht durch Begriff und Klassifikation einzuholen – sich durch Verschiebung und Übergang stattdessen in neuen Formen freisetzt.
Übergänge im Verhältnis zwischen Objekten, wie sie innerhalb des räumlichen Bezugssystems einer Skulptur auftreten und die stets mit Übergängen und Verschiebungen von Zeige- und Präsentationsweisen verbunden sind. So in „accumulated (Loop)“, wenn durch die Platzierung eines metallummantelten Skulpturfragments oberhalb der Vitrine – diese kurzerhand zum Sockel verkehrend – einerseits Zeigeweisen aktiviert, diese andererseits in ihrer vertrauten Funktion hybrid werden. Wenn darüber hinaus nicht nur das Objekt selbst durch Techniken des Faltens und Stauchens unter eine immense Spannung gesetzt scheint, sondern ruckartig-unverhofft weitere Objekte aus dem Arsenal Schramm‘schen Formdenkens aus dieser Spannung nachgerade hervorplatzen, ergeben sich zusätzliche Verschiebungen durch den Einsatz weiterer Zeigetechniken. Ein auf Metallblech kaschiertes Stück Fototapete scheint auf die gegenüberliegende Arbeit „Multilayer 334“ zu deuten, die ihrerseits auf die Ausstellung „Soft Corrosion“ im Hamburger Bahnhof (2006) Bezug nimmt. Das eigene Ins-Werk-Gesetztsein wird hier mit ins Spiel gebracht wie das Element als raumgewordenes, auf Blech gebracht und gefaltet, zugleich die Kontingenz seines Gemachtseins als Bild ausstellt. Ein Rigips-Element, das als Modell auf ein Außerhalb der Skulptur und die größeren, katastrophisch-konstruktiven Rauminterventionen verweist wie es ebenso als Fragment einer für sich stehenden Arbeiten gelesen werden mag. Nicht zuletzt transponiert es das Innerhalb des in der Vitrine Gezeigten, das einen weiteren Strang der „Intersection“-Gruppe aufnimmt.
Übergänge im Raum, bei denen der Blick selbst Teil der räumlichen Ordnung wird. So in der eingangs angesprochenen „Transition“-Arbeit im Arrangement mit Arbeiten aus der Serie „Dark Site“ im hinteren Raum der Galerie. Nicht nur changieren diese Arbeiten zwischen monolithischer Flächigkeit und quasi-vitrinenhaftem Präsentationswerkzeug für ein Diesseits und Jenseits der Fläche. Vor allem ziehen diese Arbeiten den Blick zusammen, bannen ihn mit ihren hinter Acrylglas gebrachten Kraterlandschaften aus oxidiertem Blattsilber, werfen ihn dann aber, nur einen Blick später, in den Raum zurück, stellen Blickachsen her, die stets allerdings auf dem Moment von Übergang und Wechsel der Betrachtung beruhen. Wenn dies in „Dark Site #35“ mit seinem an einer Stelle gebrochenen Acrylglas kurzzeitig zur Ruhe zu kommen, der Blick in der Öffnung einen Fixpunkt zu haben scheint, zieht die Skulptur ihn im nächsten Moment wieder weiter: von Übergang zu Übergang.
Sebastian Hammerschmidt
Markus Lüttgen is pleased to announce the exhibition “Transition” by Felix Schramm as part of DC Open 2020.
The fragment of a mold, open on one side barely hiding its shell-like nature, huddles up against a negative form, subtly visualizing the intermediate stages of a sculpture in formation. It draws its productive force largely from moments of transition: between volume and emptiness, inside and out, a homogeneous whole and a heterogeneity of parts. The formal transitions one recognizes in the titular work fundamentally presuppose a moment of changing perspective. When we change position, it becomes clear that the sculptural element is the result of combining of two parts. We viewers thus become a key part in the sculptural structuring of space. Starting from this basic constellation, I’d like to address three moments of transition in the works, each of which is as systematic as it is provisional.
Formal transitions, which one might initially relate to Georges Bataille’s concept of the “formless.” For Bataille, the term “formless” does not describe the negation of form, but rather a dialectical transition from one form to another. This transition, however, entails the dissolution, transgression, and declassification of existing forms. The dialectical moment plays a key role in Felix Schramm’s formal thought. For what can be described here as “formless” also comes close to Bataille’s vehement attack on literally “all of philosophy”: namely, the idea that each thing can be defined based on one clearly classifiable form. Seen in a positive sense, formlessness is also the productive potential of the desire for the individual and the singular—for that which frees itself by constantly shifting and transitioning into new forms and cannot be captured by fixed concepts or classifications
Transitions in the relationships between objects as they emerge within a sculpture’s spatial frame of reference, always connected with transitions and shifts in the modes of showing and presenting. In accumulated (Loop), for example, the placement of a metal-clad sculptural fragment on top of a vitrine—unceremoniously transformed into a pedestal—activates ways of showing on one hand, while it also hybridizes them beyond their familiar function on the other. In addition to some objects themselves being subjected to immense tension via folding and compression as well as other objects seeming to burst forth jerkily and unexpectedly from Schramm’s arsenal of formal thought as a result of this tension, further displacements arise from his use of presentation techniques. A strip of photo wallpaper laminated onto sheet metal seems to reference the work located across from it, namely Multilayer 334, which in turn points back to the “Soft Corrosion” exhibition in Hamburger Bahnhof (2006). Here, a personal sense of being placed within the work is brought into play. In a similar vein, the element that has been spatialized by being mounted onto sheet metal and folded simultaneously exposes the contingency of its constructedness as an image. A plasterboard element serves as a model, pointing back to an outside beyond the sculpture as well as Schramm’s larger, catastrophic-constructive spatial interventions. Though, it may also be read as a fragment of a work that stands only for itself. Not least, it also transposes that which is shown in the vitrine, picking up on another strand of the “Intersection” series of works.
Spatial transitions where the gaze itself becomes part of the spatial order. This is the case in the work Transition discussed earlier, which is arranged with works from the series “Dark Site” in the rear room of the gallery. These works not only oscillate back and forth between monolithic flatness and a quasi-vitrine like presentation tool for everything this side of the surface and beyond. More importantly, these works draw one’s gaze in, entrancing it with crater landscapes of oxidized silver leaf behind acrylic glass, only to cast it back into the room a second later, establishing lines of sight based on moments of transition and changes of perspective. When the eye seems to temporarily rest on a piece of broken acrylic in Dark Site #35, the sculpture pulls it along in the next moment: from transition to transition.
Sebastian Hammerschmidt
Im Rahmen der DC Open 2020 freut sich Markus Lüttgen, die Ausstellung „Transition“ von Felix Schramm anzukündigen.
Das Fragment einer Abformung, zu einer Seite hin offen und seinen Hüllencharakter kaum verbergend, schmiegt sich an eine Negativform und lässt so nuanciert Zwischenstadien einer skulpturalen Formbildung sichtbar werden, die ihre produktive Kraft wesentlich aus Momenten des Übergangs bezieht: zwischen Volumen und Leere, Innen und Außen, homogenem Ganzen und der Heterogenität seiner Teile. Was so in der titelgebenden Arbeit als Übergänge der Form ablesbar wird, setzt elementar das Moment des Blickwechsels voraus. Das skulpturale Element wird dann als ein aus zwei Teilen zusammengesetztes erkennbar, wenn wir die Position wechseln. Damit sind wir als Betrachtende selbst zum notwendigen Teil des skulpturalen Raumgefüges geworden. Von dieser grundlegenden Konstellation ausgehend sollen drei Momente des Übergangs in den gezeigten Arbeiten adressiert werden, die mit dem Ausdruck „Transition“ ebenso programmatisch wie provisorisch – selbst nur als Übergang fassbar – benannt sind.
Übergänge der Form, die sich in einer ersten Annäherung an den Begriff des „Formlosen“ bei Georges Bataille anschließen lassen. Denn bei Bataille bezeichnet das „Formlose“ nicht die Negation von Form, sondern vielmehr das, wodurch sich dialektisch der Übergang von Form zu Form vollzieht. Ein Übergang indes, der in der Auflösung, Überschreitung und Deklassierung vorhandener Formen besteht. Freilich muss für das Formdenken Felix Schramms das Moment des Dialektischen betont werden. Denn was hier mit dem „Formlosen“ angesprochen ist, lässt sich zwar durchaus in die Nähe rücken zur vehementen Attacke Batailles gegen buchstäblich „die ganze Philosophie“: dass jedes Ding nur durch eine eindeutig zu klassifizierende Form zu definieren wäre. Vor allem aber ist es positiv gewendet das produktive Potential eines Begehrens nach dem Individuellen und Singulären, dem, was – nicht durch Begriff und Klassifikation einzuholen – sich durch Verschiebung und Übergang stattdessen in neuen Formen freisetzt.
Übergänge im Verhältnis zwischen Objekten, wie sie innerhalb des räumlichen Bezugssystems einer Skulptur auftreten und die stets mit Übergängen und Verschiebungen von Zeige- und Präsentationsweisen verbunden sind. So in „accumulated (Loop)“, wenn durch die Platzierung eines metallummantelten Skulpturfragments oberhalb der Vitrine – diese kurzerhand zum Sockel verkehrend – einerseits Zeigeweisen aktiviert, diese andererseits in ihrer vertrauten Funktion hybrid werden. Wenn darüber hinaus nicht nur das Objekt selbst durch Techniken des Faltens und Stauchens unter eine immense Spannung gesetzt scheint, sondern ruckartig-unverhofft weitere Objekte aus dem Arsenal Schramm‘schen Formdenkens aus dieser Spannung nachgerade hervorplatzen, ergeben sich zusätzliche Verschiebungen durch den Einsatz weiterer Zeigetechniken. Ein auf Metallblech kaschiertes Stück Fototapete scheint auf die gegenüberliegende Arbeit „Multilayer 334“ zu deuten, die ihrerseits auf die Ausstellung „Soft Corrosion“ im Hamburger Bahnhof (2006) Bezug nimmt. Das eigene Ins-Werk-Gesetztsein wird hier mit ins Spiel gebracht wie das Element als raumgewordenes, auf Blech gebracht und gefaltet, zugleich die Kontingenz seines Gemachtseins als Bild ausstellt. Ein Rigips-Element, das als Modell auf ein Außerhalb der Skulptur und die größeren, katastrophisch-konstruktiven Rauminterventionen verweist wie es ebenso als Fragment einer für sich stehenden Arbeiten gelesen werden mag. Nicht zuletzt transponiert es das Innerhalb des in der Vitrine Gezeigten, das einen weiteren Strang der „Intersection“-Gruppe aufnimmt.
Übergänge im Raum, bei denen der Blick selbst Teil der räumlichen Ordnung wird. So in der eingangs angesprochenen „Transition“-Arbeit im Arrangement mit Arbeiten aus der Serie „Dark Site“ im hinteren Raum der Galerie. Nicht nur changieren diese Arbeiten zwischen monolithischer Flächigkeit und quasi-vitrinenhaftem Präsentationswerkzeug für ein Diesseits und Jenseits der Fläche. Vor allem ziehen diese Arbeiten den Blick zusammen, bannen ihn mit ihren hinter Acrylglas gebrachten Kraterlandschaften aus oxidiertem Blattsilber, werfen ihn dann aber, nur einen Blick später, in den Raum zurück, stellen Blickachsen her, die stets allerdings auf dem Moment von Übergang und Wechsel der Betrachtung beruhen. Wenn dies in „Dark Site #35“ mit seinem an einer Stelle gebrochenen Acrylglas kurzzeitig zur Ruhe zu kommen, der Blick in der Öffnung einen Fixpunkt zu haben scheint, zieht die Skulptur ihn im nächsten Moment wieder weiter: von Übergang zu Übergang.
Sebastian Hammerschmidt